Kampf gegen den Akademisierungswahn in Deutschland

Nach ein paar Einblicken in die Historie der Entwicklung von Berufen und des Berufswesens in Deutschland kam Hauptredner Prof. Julian Nida-Rümelin (Ex-Bundes-Kulturstaatssekretär, Mathematiker, Philosoph) richtig in Fahrt. Nur vier Länder in der Welt haben ein mit Deutschland vergleichbares (duales) Berufsausbildungssystem. Die OECD vergleicht in vielen Studien unseren Anteil an Studierenden mit anderen Ländern ohne duales Berufsausbildungssystem. Daraus schlussfolgert die OECD, Deutschland braucht mehr Studierende. 
Selbst in Deutschland sind viele Institutionen und Politiker auf den Zug aufgesprungen und fordern ihrerseits eine höhere Quote von deutschen Akademikern. Die Hauptargumente sind höherer Anteil am Bruttoinlandsprodukt, höherer Verdienst und niedrigere Arbeitslosenquote von und durch Akademiker.

Eindrucksvoll beweist Nida-Rümelin anhand einiger weniger statistischer Werte, die kaum Interpretationsspielraum zulassen, dass diese Argumente definitiv nicht stimmen. 

Trotzdem haben wir aktuell in Deutschland über 50% studierfähige Schulabsolventen. Dass diese Entwicklung zu einer Verwässerung der Qualität von Abitur-Abschlüssen, akademischen Abschlüssen führt und weiter führen wird, ist allen 150 interessierten Zuhörern klar. Eine hohe Studienabbrecherzahl erklärt sich dadurch auch. Flankiert von Zahlen der deutschen Wirtschaft, wieviel Facharbeiter (nicht so sehr Akademiker) fehlen, kommt Prof. Nida-Rümelin zu dem Ergebnis: Wir haben eine massive kognitive Schlagseite des Bildungswesens. 

Was wir brauchen ist Facharbeiter-Nachwuchs. Deshalb fordert der Hauptredner:
  • Stopp der Akademisierungspropaganda in Deutschland
  • Verbesserung des Image`s der dualen Ausbildung
  • Schaffung von weiteren positiven Signalen zu Verdienstmöglichkeiten bei Facharbeitern
  • Unternehmen müssen ausbilden wollen
  • Staat muss Berufsschulen stärken
  • Akademische und berufliche Bildung müssen im Ansehen egalisiert werden.

In der anschließend von Christian Matthèe charmant moderierten Podiumsdiskussion wurde die Problematik aus unterschiedlichen Gesichtspunkten noch einmal beleuchtet. 

Aus meiner Sicht eine tolle und kurzweilige Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer Cottbus am 3. Juli 2014. 

Kompliment an die Organisatoren.





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